Zahlungszeitpunkt grds. egal
Der Zahlungszeitpunkt ist für den Vorsteuerabzug irrelevant, soweit es sich nicht um sog. „Anzahlungsrechnungen“, also Rechnungen vor Leistungserbringung (Voraus-Rechnungen), handelt.
Im deutschen Umsatzsteuerrecht wurde bislang beim Vorsteuerabzug nicht differenziert, ob der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinbarten Entgelten („SOLL-Versteuerung“) oder nach vereinnahmten Entgelten („IST-Versteuerung“) berechnet.
Das ändert sich nun. Wird das Steuerrecht dadurch leichter? Natürlich nicht, bleiben Sie dennoch up-to-date und schenken Sie diesem Beitrag einige Minuten Ihrer Aufmerksamkeit.
Voraussetzung für den Regelvorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG war lediglich, dass
die Leistungserbringung durch einen Unternehmer
der Leistungsbezug durch einen Unternehmer für dessen Unternehmer erfolgt
und eine ordnungsgemäße Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG vorliegt.
Aufgrund der nationalen Regelung des § 20 UStG („IST-Versteuerung“) kann es also dazu kommen, dass Leistungszeitpunkt und Steuerentstehungszeitpunkt voneinander abweichen.
Für einen Umsatz nach § 20 UStG entsteht die gesetzliche Steuer erst mit Vereinnahmung des Entgelts; hingegen hat der Leistungsempfänger bereits im Zeitpunkt der erbrachten Leistung und dem zeitgleichen Innehaben einer Rechnung nach §§ 14, 14a UStG einen Vorsteueranspruch.
Der Zahlungszeitpunkt ist für den Vorsteuerabzug irrelevant, soweit es sich nicht um sog. „Anzahlungsrechnungen“, also Rechnungen vor Leistungserbringung (Voraus-Rechnungen), handelt.
Durch den europäischen Gerichtshof wurde diese Rechtspraxis mit Entscheidung vom 10.02.2022 als Verstoß gegen Art. 167 der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) gewertet und mit BFH-Urteil vom 12.07.2023 die fehlende nationale Umsetzung der MwStSystRL bestätigt.
Art. 167 MwStSystRL definiert in aller Kürze:
„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.“
Mit anderen Worten:
Die Mitgliedstaaten sind sich einig, dass ein Anspruch auf Auszahlung von Steuergeldern erst bestehen soll, wenn die Staatskasse zugleich einen Anspruch auf Zahlung des Steuerbetrags hat, es mithin nicht zu einem zeitlichen auseinander driften zu Ungunsten der Finanzverwaltung kommt.
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 vom 02.12.2024 (Artikel 27 Nr. 2) wird die folgende Regelung in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Ergänzung für die Sätze 2 und 3 aufgenommen:
„Die Vorsteuer ist abziehbar, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt und
a) die Leistung ausgeführt worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) berechnet, oder
b) soweit eine Zahlung auf eine ausgeführte Leistung geleistet worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§20) berechnet, oder
c) soweit eine Zahlung vor Ausführung der Leistung geleistet worden ist.“
Die Änderung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dient dazu, gesetzlich zu normieren, zu welchen verschiedenen möglichen Zeitpunkten der Vorsteueranspruch entsteht.
Der leistende Unternehmer hat zudem in seiner Rechnung den Rechnungszusatz „Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ aufzunehmen, neu § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG.
Die Gesetzesänderung führt zu einem erheblichem Mehraufwand für die Rechnungsempfänger.
Als zusätzliches Merkmal ist in den Stammdaten des Rechnungsempfängers zu hinterlegen,
Eine Verknüpfung von Zahlungs- und Buchhaltungssystem ist dringend erforderlich und erschwert die tatsächliche Umsetzung. Dies stellt neben der neu eingeführten E-Rechnung ab 01.01.2025 eine weitere zusätzliche bürokratische Hürde für viele Unternehmen dar.
Sie müssen Ihr Zahlungs- und Buchhaltungssystem anpassen. Der Vorsteuerabzug kann nicht mehr "automatisch" bei Rechnungsstellung eingebucht werden.
Ohne eine gleichzeitige, erläuternde Änderung in § 20 UStG verbleiben für die Leistungsempfänger immanente Rechtsrisiken.
Zwar soll eine „Nichtbeanstandungsregelung“ im Umsatzsteueranwendungserlass aufgenommen werden, diese eliminiert jedoch nicht das Risiko einer zu frühen Geltendmachung von Vorsteueransprüchen für nicht ordnungsgemäße Rechnungen.
Der Leistungsempfänger sieht sich mit möglichen Argumentationen seitens der Finanzverwaltung hinsichtlich Wissen oder Kennenmüssen der zeitlich unzutreffenden Vorsteuerabzüge konfrontiert und kann sich schlussendlich nur auf seine Gutgläubigkeit der Richtigkeit der Angaben des Leistenden berufen.
Die Änderung des Vorsteueranspruchs ist systemkonform, führt jedoch zu strukturellen und rechtlichen Herausforderungen bei den Unternehmen, als auch in der Beraterschaft. Eine nicht konforme Anwendung führt zu empfindlichen steuerlichen Risiken.
Einziger Lichtblick: Die Änderungen sind erstmals auf Rechnungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2027 ausgestellt werden, neu § 27 Abs. 41 UStG.
Sie benötigen einen rechtlichen Fahrplan zur rechtlichen Umsetzung der Gesetzesänderung, möchten auf die Einzelheiten aufmerksam gemacht werden oder vor möglichen Fallstricken bewahrt werden? Unsere Steuerberater und Rechtsanwälte beraten Sie gerne hierzu!