7. Darlegungs- und Beweislast
Die Erfolgsaussichten einer etwaig zu erhebenden Schadensersatzklage hängen ganz entscheidend von der Darlegungs- und Beweislast ab. Zugunsten der klagenden gesellschaftsrechtlichen Vereinigung sind diese in Abweichung des strengen Grundsatzes, dass eine Partei die ihr günstigen bzw. anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorzutragen und im Streitfall zu beweisen hat, in Analogie zu § 93 Abs. 2 S. 2 AktG aufgeweicht.
So hat die juristische Person keine Umstände darzulegen, aus denen sicher die Verletzung einer Pflicht folgt, sondern nur solche, aus denen sich „möglicherweise“ ein pflichtwidriges Verhalten ergeben könnte. Dies beruht auf dem Gedanken der Sachnähe, könne das Organmitglied doch die Umstände seines Verhaltens und die Gesichtspunkte, die für eine pflichtgemäße Amtsführung sprechen, besser überblicken als das Unternehmen, die insoweit regelmäßig in Beweisnot geriete. Ist diesem Erfordernis entsprochen, trifft den Geschäftsführer / Vorstand, will er die gegen ihn geltend gemachten Forderungen abwehren, die Obliegenheit, die fehlende Pflichtwidrigkeit zu beweisen. Die Gesellschaft auch die Schädigung und deren Verursachung durch die Pflichtwidrigkeit nachzuweisen. Bzgl. des Eintritts und der Höhe des Schadens kann § 287 ZPO fruchtbar gemacht werden. Hinsichtlich der Kausalität kommt ggf. – ja nach Schadensart – eine Kausalitätsvermutung bzw. ein Beweis prima facie in Betracht, insbesondere wenn die Schädigungen typischerweise auf die vorgetragenen Pflichtverletzungen zurückzuführen sind.
Die Geschäftsführung trifft insofern auch die Beweislast dafür, nachzuweisen, dass ihn kein Verschulden trifft oder dass die Schädigung auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.
Soweit jedoch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten in den Anwendungsbereich der BJR fällt, muss die Gesellschaft letztlich dazu vortragen, dass das entsprechende Ermessen nicht korrekt ausgeübt wurde. Nur ein ermessensfehlerhaftes Vorgehen ist pflichtwidrig. Dementsprechend muss die Klägerin z.B. vortragen, dass die Geschäftsleitung ein Risikogeschäft eingegangen ist (was für sich noch nicht pflichtwidrig ist), die zugrunde liegende Entscheidung aber auf mangelhafter Informationsgrundlage getroffen hat. Dem Geschäftsführer obliegt es dann, darzulegen, dass er sich ausreichend informiert hat. Wie detailliert die Geschäftsleitung zu ihrer Exkulpation vortragen muss, ist jedoch nicht im Einzelnen vorgezeichnet.
Der BGH hat lediglich festgestellt, dass die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast auch nicht überspannt werden dürfen. Letztlich dürfte es auf den Einzelfall ankommen. Werden dem Geschäftsführer / Vorstand fehlerhafte Prognoseentscheidungen vorgeworfen, wird dieser wohl die seinen Planungen zugrunde liegenden Unterlagen vorzulegen und zu deren Inhalt vorzutragen haben. Dabei wird – ggf. durch Sachverständigenbeweis – zu untersuchen sein, ob der Planung belastbare Informationen und Zahlen zugrunde lagen und anerkannte branchentypische Methoden zur Anwendung kamen.
Dies Grundsätze gelten auch für ausgeschiedene Geschäftsführer / Vorstände / Aufsichtsratsmitglieder. Soweit das ehemalige Organmitglied keinen Zugang zu den Gesellschaftsunterlagen mehr hat, muss ihm die Gesellschaft Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen gewähren, sofern der Geschäftsführer / Vorstand / Aufsichtsrat insofern nachvollziehbar vorgetragen hat, welche Informationen sich aus diesen ergeben sollen.
Es soll sich nach Auffassung der Literatur jedoch grundsätzlich zulasten des Geschäftsführers auswirken, wenn sich Dokumente, deren Existenz er behauptet, nicht auffinden lassen. Dieses Postulat beruht auf der Überlegung, dass die fehlende Auffindbarkeit auf einer inadäquaten Organisation und Dokumentation der Arbeit des Geschäftsführers / Vorstandsmitglieds beruht. Insofern wird vom Betroffenen schon während seiner Amtszeit gefordert, sicherzustellen, dass die Dokumentation so archiviert werden, dass keine Informationen verloren gehen und ein Zugriff unproblematisch möglich ist.
Die Beweislastumkehr zulasten des CEO soll nur entfallen, wenn die Dokumente, auf die er sich beruft und in die er Einsicht nehmen möchte, zum Zeitpunkt seines Ausscheidens nachweislich noch bei der Gesellschaft vorhanden waren, im Nachhinein jedoch aus den Archiven verschwunden sind.
Im Übrigen hat der BGH erst im Jahr 2021 klargestellt, dass die Geschäftsleitung gegenüber zur Auskunft verpflichtet ist – auch nach seiner Abberufung bzw. Kündigung des Geschäftsführervertrags. Grund, Inhalt und Grenzen des Auskunftsanspruchs ergeben sich aus dem Interesse der Gesellschaft, die Tätigkeit des Organs zu kontrollieren.